Fr. 25.10.2024, 20.00 Uhr, Institut Français, Schloßstr. 51, 70174 Stuttgart
Eintritt: 15/10 EUR (Abendkasse)
Der rasche Ausbau des Eisenbahnnetzes in Mittel-europa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte im wahrsten Sinne des Wortes bahn-brechende Bedeutung für das ohnehin blühende Musikleben. Konzertreisen und Gastspiele von Instrumentalisten, an erster Stelle von Pianistinnen und Pianisten, Geigerinnen und Geigern, aber auch Virtuosen anderer Instrumente, von gefeierten Sängerinnen und Sängern wurden so ungemein erleichtert und auch abgekürzt, auch wenn die Züge nicht so schnell fahren konnten wie heute (dafür aber wesentlich pünktlicher waren…). Auch der Transfer von Instrumenten, Noten, Büchern und nicht zuletzt Musikzeitschriften erreichte nun ein ganz anderes Niveau. 1845 wurde die Bahnlinie von Karlsruhe nach Baden-Baden gebaut, was für das dort 1862 eröffnete Theater, das ein reines Gastspielhaus war, in dem fast jeden Mittwoch das Karlsruher Hoftheater überwiegend mit Opern gastierte, unabdingbar war. Ab 1861 konnte man mit der Eisenbahn von Paris über Straßburg nach Baden-Baden fahren, was z. B. für Gastspiele von Berlioz (Uraufführung von Béatrice et Bénédict 1862) und Offenbach (Uraufführung von La Princesse de Trébizonde 1869) genutzt wurde. Die Strecke Karlsruhe-Stuttgart wurde 1857 eröffnet.
Larissa Wäspy (Wien) Sopran
Martin Nagy (Stuttgart), Tenor
Claus Temps (Karlsruhe), Bassbariton
Heike Bleckmann und Ira Maria Witoschynskyj, Klavier
Joachim Draheim, Konzeption, Moderation und Klavier
Die junge Clara Wieck, bereits seit ihrem 9. Lebensjahr auf der Konzertbühne, musste 1832 auf ihrer ersten Konzertreise nach Paris (mit ihrem bösartigen Manager-Vater Friedrich Wieck) und 1839 auf ihrer zweiten Reise dorthin (über Stuttgart und Karlsruhe, ohne diesen) noch die Strapazen der Postkutsche über sich ergehen lassen. Erst 1862, als sie nach Baden-Baden übersiedelte, konnte sie bei ihren beiden letzten Gastspielen in der französischen Metropole die Eisenbahn nutzen. Nachdem seit etwa 1850 Robert Schumanns bekannteste Lieder noch zu seinen Lebzeiten in Paris mehrfach mit französischen Texten erschienen waren, bekam Clara Schumann 1873 aus Paris die Anfrage eines Verlegers, Klaviertranskriptionen der beliebtesten Lieder ohne Singstimme, aber mit Abdruck der deutschen und französischen Texte, zu schreiben. Nach anfänglichem Zögern nahm sie diese Aufgabe, die ihr viel Mühe machte, an und veröffentlichte, anfangs von Brahms, dann von Hermann Levi liebevoll und sachkundig unterstützt, 1874 in Paris „30 Mélodies de Robert Schumann. Transcrites pour piano par Clara Schumann“.
Konzipiert hat das faszinierende und ungewöhnliche Konzertprojekt Dr. Joachim Draheim. 1950 in Berlin geboren, studierte Draheim Klassische Philologie, Geschichte und Musikwissenschaft in Heidelberg. Seit 1973 ist er als freier Mitarbeiter des SWR und bei mehreren in- und ausländischen Musikverlagen und Plattenfirmen als exzellenter Kenner der Musik des 19. Jahrhunderts geschätzt. Daneben trat er als Pianist in Konzerten, im Rundfunk und bei Plattenlabels hervor. Bis 2017 lehrte er am Lessing-Gymnasium in Karlsruhe Latein und Musik. 2003 erhielt er den Robert-Schumann-Preis der Stadt Zwickau, 2004 erschien seine „Karlsruher Musikgeschichte“ im Info Verlag Karlsruhe. 2012 wurde ihm die „Baden-Baden-Medaille“ für Verdienste um das Musikleben in Baden-Baden verliehen. 2021 erhielt Draheim das Bundesverdienstkreuz.
Pauline Viardot war eine enge Freundin und musikalische Partnerin Clara Schumanns. Die 1821 in Paris geborene große spanische Sängerin, Pianistin, Komponistin, Bearbeiterin, Herausgeberin, Gesangslehrerin, Salonière und kulturelle Netzwerkerin beherrschte sechs Sprachen: Spanisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Russisch. 1827 bis 1863 lebte und wirkte sie dort, 1863 bis 1870 in Baden-Baden und 1871 bis zu ihrem Tod 1910 wieder in Paris und Bougival. In Stuttgart hat sie nach dem Ende ihrer Karriere auf den großen europäischen Bühnen 1863 mehrmals gastiert, auch als gefeierte Liedinterpretin bei einer Schubert-Feier 1865.
Clara Wieck (1819-1896): Zwei Lieder nach Texten von Justinus Kerner (Bassbariton)
„Der Wanderer“ (1831)
„Der Wanderer in der Sägemühle“ (1832)
Robert Schumann (1810-1856)
Lieder aus: Les Amours du Poëte (Dichterliebe) op. 48 (Heinrich Heine), mit französischen Texten von Jules Berbier, erschienen Paris 1863 (Tenor)
„Quand Mai des beaux jours du printemps“
„Mes larmes font éclore“
„L’aurore, la rose, les lys“
„Quand mon œil plonge dans tes yeux“
Stücke aus: 30 Mélodies de Robert Schumann. Transcrites pour piano par Clara Schumann, erschienen Paris 1874
„Recueillement“ („Die Stille“) op. 39, Nr. 4
„Chanson du Matin" ("Volksliedchen") op. 51, Nr. 2
„C’est lui“ („Er ist‘s“) op. 79, Nr. 24
Johann Joseph Abert (1832-1915)
„An Lina“ (Johann Wolfgang von Goethe), ungedruckt, (Bassbariton)
„Verschiedene Empfindungen an einem Platze“ (Goethe), ungedruckt (Sopran, Bassbariton)
„Trennungsschmerz“ (Theobald Kerner) op. 5, 1854 (Bassbariton)
„Liebesmahnung“ (Kerner) op. 6, 1854 (Sopran)
„Mutter und Tochter“ (Feodor Löwe) op. 7, 1854 (Sopran)
aus: Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, 1879 (Tenor)
Nr. 1 „Dort ist so tiefer Schatten“ (Joseph von Eichendorff)
Nr. 5 „Wandern“ (Albert Träger)
Nr. 6 „Auf geheimen Waldespfade“ (Nikolaus Lenau)
– P a u s e –
Johann Joseph Abert: aus: Astorga, Romantische Oper in drei Akten (Text von Ernst Pasqué), Uraufführung: Stuttgart, 20. Mai 1866
Klavierauszug von Carl Herrmann (1866)
Ouvertüre (Fassung für Klavier zu 4 Händen)
Nr. 3 Szene und Arie der Angioletta (Sopran) aus dem 1. Akt
Nr. 7 Rezitativ und Arie der Eleonore (Sopran) aus dem 2. Akt
Nr. 8 (Anfang) Rezitativ Balbaces/Eleonore und Cavatine des Balbaces aus dem 2. Akt (Sopran / Bassbariton)
Pauline Viardot (1821-1910): Zwei Lieder nach Texten von Eduard Mörike, 1870 (Sopran)
„Der Gärtner“
„Nixe Binsefuß“
Zwei Lieder nach Texten von Alexander Puschkin (Bassbariton)
„O sing‘, du Schöne“, 1866
„Der Sturm“, 1866
„Die Meise“ (Iwan Turgenjew, deutsch von Friedrich von Bodenstedt), 1864 (Sopran)
„Chanson de la pluie“ aus Le Dernier Sorcier (Turgenjew), 1867, erschienen 1900 (Sopran)
aus: Cendrillon, Opéra comique en trois tableaux, 1904
„Hier je vis circuler“, Chanson des Baron Pictordu (Bassbariton)
„C’est moi!, ne craignez rien!“, Duo Cendrillon / Le Prince (Sopran / Bassbariton)
Der 1832 in Kochwitz/Böhmen geborene Johann Joseph Abert (Bild) wurde 1853 vom Stuttgarter Hofkapellmeister Peter von Lindpaintner als Kontrabassist an die damals angesehene Stuttgarter Hofkapelle engagiert und profilierte sich früh mit Stücken für sein Instrument und Orchesterwerken. Im Herbst 1860 wurde ihm ein mehrmonatiger Studienaufenthalt in Paris ermöglicht, bei dem er u. a. Auber, Meyerbeer, Halévy, Rossini und den damals in Paris mit der Einstudierung seines Tannhäuser beschäftigten Richard Wagner kennenlernte. Abert nahm dabei Anregungen für sein eigenes Schaffen auf und erlebte die skandalumwitterte Aufführung des Tannhäuser an der Pariser Oper am 13. März 1861. Über seine Begegnungen und Eindrücke berichtete er in langen Artikeln für den „Staatsanzeiger für Württemberg“. Bei einem Gastspiel der Karlsruher Hofoper im August 1864 in Baden-Baden mit Aberts 1862 in Stuttgart uraufgeführter Oper König Enzio lernte Abert Pauline Viardot kennen, mit der er lebenslang befreundet blieb. Nachdem es ihr 1865 nicht gelungen war, Abert durch ihre Empfehlung den Posten des freigewordenen Hofkapellmeisters in Stuttgart zu verschaffen, wurde er nach dem großen Erfolg seiner Oper Astorga (Stuttgart, 20.5.1866, unter seiner Leitung) wenigstens zum Musikdirektor ernannt. Als 1867 der amtierende Hofkapellmeister Carl Eckert aufgrund von Intrigen ausscheiden musste, wurde Abert auf erneute Empfehlung von Viardot schließlich zum Hofkapellmeister (neben Karl Doppler) ernannt, ein Posten, den er bis zu seiner nicht ganz freiwilligen Pensionierung 1888 mustergültig ausfüllte. Als er 1915 starb, war er als Komponist so gut wie vergessen.
Das Projekt wird von der GMG, dem Institut français Stuttgart und der Draheim-Stiftung veran-staltet. Die beiden letztge-nannten Institutionen haben das Projekt auch finanziell unterstützt.
©GMG/MPS, August 2024. Alle Rechte vorbehalten.
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